Wie sehen Sie die Welt im Jahr 2050 und was wünschen Sie sich?
In 26 Jahren haben wir hoffentlich eine Welt, in der Demokratie, Frieden und Freiheit viel stärker verankert und verbreitet sind als heute. Ob uns das gelingt, erscheint mir aus
heutiger Sicht aber nicht gesichert, nicht einmal als wahrscheinlich. Viel optimistischer bin ich dagegen in der Frage des Klimawandels. Ich bin überzeugt davon, dass uns neue
Technologien den Weg eröffnen werden, die Herausforderung des Klimawandels zu meistern. Überall wird an technischen Lösungen gearbeitet. Wenn wir Deutsche hier auch in der Politik mit
mehr Optimismus und Grundvertrauen an die Sache gehen würden, könnte sich die Transformation sogar beschleunigen. Mit Bedenkenträgerei, Skepsis und Langsamkeit ist die Zukunft nicht
zu gewinnen. Mut, Optimismus und Entschlossenheit schaffen Zukunft. Konkret für uns bei Lilium bedeutet das: Wir werden 2050 unsere Technologie für das elektrische Fliegen in
Flugzeuge mit 50-100 Passagieren gebracht haben. Batterien werden sich gegenüber Wasserstoff durchsetzen in der Luftfahrt. Elektrische Antriebe sollten Flugzeugen 2050 schon deutlich
weiter als 1.200 km Reichweite verleihen. Das ist die Reichweite von 4/5 aller Flüge weltweit. Wir könnten dann 80 Prozent aller Flüge bereits elektrisch und ohne CO2 Emissionen
gestalten.
Warum macht die Zukunft ein anderes Wirtschaften notwendig?
Demographie, Technologie und Klimaschutz sind die Treiber der Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Sie verlangen von uns eine Transformation in fast allen Bereichen.
Das löst bei vielen Menschen Stress aus – und das ist eine Gefahr für eine erfolgreiche Veränderung. Aber an der Notwendigkeit der Veränderung gibt es keinen Zweifel.
Erzählen Sie uns bitte von einem Schlüsselerlebnis, das Ihre Weltanschauung verändert hat.
Während meines Studiums war ich sehr ingenieurwissenschaftlich orientiert und hatte das Gefühl, dass die Haupthürde für die Lösung von Problemen wie dem Klimawandel eine technische
ist. Und in der Tat ist es in einigen Branchen - wie der Luftfahrt - schwierig, sie nachhaltig zu gestalten. Aber während meiner Zeit bei Lilium habe ich erkannt, dass Ingenieure
immer Lösungen finden und es mehr Möglichkeiten gibt, als man sich vorstellen kann. Die eigentliche Herausforderung, vor der wir stehen, und die Hürde, die uns bremst, ist
psychologischer Natur - sie liegt in unseren Köpfen. Wenn eine Gesellschaft nicht an die Technologie und unsere Fähigkeit glaubt, eine bessere Zukunft zu gestalten, dann finanziert
sie keine neuen Technologien, geht die damit verbundenen Risiken nicht ein, beseitigt die Bürokratie nicht und gerät ins Hintertreffen, sowohl bei der Lösung von Problemen wie dem
Klimawandel als auch bei der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit.
Was sind die für Sie wichtigsten Parameter der Qualitativen Ökonomie?
Die wichtigsten Parameter sind für mich Mut zu diffenziertem Denken und zur Disruption des Konsenses. Dies eröffnet neue Perspektiven und ermöglicht innovative Lösungen für komplexe
wirtschaftliche Herausforderungen. Zudem ist das interdisziplinäre Arbeiten von großer Bedeutung, da es den Horizont erweitert und vielfältige Ansichten und Kompetenzen in die
Gestaltung von wirtschaftlichen Strategien einbezieht.
Eine 360-Grad-Stakeholderbetrachtung spielt ebenfalls eine zentrale Rolle, da sie sicherstellt, dass nicht nur die Interessen der Aktionäre, sondern auch die aller Beteiligten
angemessen berücksichtigt werden. Die Förderung der Resilienz ist ein weiterer wichtiger Aspekt, da eine widerstandsfähige Wirtschaft besser auf unvorhergesehene Krisen und
Veränderungen reagieren kann.
Zusätzlich halte ich ein gesundes Maß an Skepsis vor Plänen, die weiter als 3 Jahre in die Zukunft weisen, für unerlässlich. 10-Jahrespläne und Gesamtpläne sind oft zu starr und
können in einer sich rasch wandelnden Welt leicht in die Irre führen. Es ist daher ratsam, flexiblere und anpassungsfähigere Ansätze zu verfolgen, um den Anforderungen der
Qualitativen Ökonomie gerecht zu werden.
Was sollten wir tun und was sollten wir lassen, um Qualitative Ökonomie zu schaffen?
Wir sollten die Parameter, die ich in der letzten Antwort ausführte, berücksichtigen.
Und nicht vergessen, was der Begriff der „Quality Economy“ bereits ausdrückt. Neben Quantitativem, das unter anderem durch Technologie repräsentiert ist, brauchen wir Qualitatives,
die unter anderem durch Psychologie repräsentiert ist: Mit Mut und Optimismus an die Zukunft glauben!