Wie sehen Sie die Welt im Jahr 2050 und was wünschen Sie sich?
2050 wird die Welt zurückblicken und sehen, dass massive Resilienzmaßnahmen gegen den Klimawandel erforderlich waren und neben den zuvor viel besprochenen Krisen um Rohstoffe,
geopolitische Konfliktzonen, später eine mögliche Wasserkrise, eine Ernährungskrise sowie weltweit verstärkte Migrationskrisen hinzukamen. Wir werden bis 2050 leider immer wieder
abgelenkt sein durch unterschiedliche Krisenherde und Konflikte, weil international Machtverhältnisse neu verhandelt werden und dies sehr viel monetäre Investitionen in Bereiche
erfordert, die eigentlich nicht geplant waren. Hierdurch wird es sehr schwierig, unseren Fokus auf die wesentlichen Faktoren zur Stärkung der Resilienz, sei es wirtschaftlich,
umweltbedingt oder gesellschaftlich, zu konzentrieren. Gleichzeitig werden die künstliche Intelligenz und andere neue Technologien zahlreiche Industrien in Ihrer Arbeits- und
Wirkungsweise disruptiv verändert haben. Vermutlich werden wir in mehreren Bereichen positive Quantensprünge erleben wie z.B. in der Gesundheitsvorsorge genauso wie in zahlreichen
technologischen Innovationsfeldern.
Am schwierigsten für den Erhalt der Demokratien wird die Unterscheidung von Fiktion und Wahrheit werden, die Gefahr eines verwirrenden Pluralismus an potentiellen Wahrheiten könnte
bis 2050 zu einer fundamentalen Untergrabung unseres heutigen Demokratieverständnisses führen.
Ich wünsche mir von daher für 2050 die Realisierung eines positiv demokratischen Zukunftsentwurfs. Dieser steht für Respekt im menschlichen Miteinander im Kern seines
Wertesystems. Er baut auf nachhaltige Innovationen als zentralen Lösungsraum und beantwortet nicht nur Grundfragen des Energiemix und die damit einhergehende Kostenfrage,
sondern erlangt auch unsere Wettbewerbsfähigkeit international wieder. Ein wesentlicher Stellhebel dabei ist ein ganzheitlicher, damit auch Werte-ausgerichteter
Kapitalmarkt, der ein wichtiger Teil der Lösung ist. Auch die Wertequalität der Gesellschaft durch bedeutende Investitionen in Bildung, Meinungsvielfalt und Zukunftstechnologien
gilt es zu stärken. Ich wünsche mir den Erhalt kuratierter Nachrichten, die nicht nur über Bots, sondern über menschliches Nachdenken entstehen und die dadurch den
Unterschied zwischen Fiktion und Wahrheit sichtbar machen, damit der Einzelne nicht sein Vertrauen in unser gesellschaftliches System verliert.
Während USA und Asien Ihren Weg gezielt gehen, wünsche ich mir für Europa, dass es aufwacht und sich seiner historischen Chancen, aber auch Verantwortung bewusst wird. Als einer
der größten Binnenmärkte weltweit, als Ort, wo Wirtschaft und Gesellschaft im offenen Dialog mehr über Chancen und Innovationen diskutieren als regulieren. Ziel muss es sein, Europa
zu stärken und nicht zu schwächen, Europa wird so zu einem Ort, bei dem andere Sichten respektiert werden, weil wir die Vielfalt der Ideen leben. Ein Ort, an dem Menschen eine Zukunft
haben, weil wir in Ihre Bildung investieren und ein Europa, das eine positive Vision für seine Menschen hat… als the place to be‘.
Warum macht die Zukunft ein anderes Wirtschaften notwendig?
Weil die Vielfalt der Aspekte, die ich in der Beantwortung der letzten Frage anführte, eine wirtschaftliche Transformation erfordert. Vom Zeitalter der Globalisierung, das von
(Mengen- und Volumen-) Wachstum geprägt war, kommen wir in ein Zeitalter der smarten Ressourcennutzung. Kluge Ressourcennutzung bedeutet, vom Design der Produkte bis zur Nutzung
durchdacht zu sein, denn am Ende geht es um Effizienz.
Geschäftsmodelle werden sich daher neben Mengenwachstum verstärkt auch an Wertwachstum ausrichten. Man kann dies heute bereits beobachten, denn viele Geschäftsmodelle befinden sich
diesbezüglich mitten in einem Umbruch, Kreislaufwirtschaft ist hier nur ein Beispiel.
Der zunehmende Druck, mit Ressourcen auskommen zu müssen, macht den beschriebenen Wandel zwingend. Ein Beispiel ist der Agrarsektor, der sich bisher auch an Mengen ausrichtete. Hier
wird die großflächige Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln ersetzt werden durch Hightech, welche das individuelle Wohlergehen der Pflanze misst und sicherstellt, dass eine gezielte
Ausbringung erfolgt und der Gesamtertrag erhöht wird.
Erzählen Sie uns bitte von einem Schlüsselerlebnis, das Ihre Weltanschauung verändert hat.
Mir ist wichtig, jegliche Transformation in die heutige Realität einzubetten. Wünschen hilft nichts, wenn man es nicht umsetzt oder anders formuliert: der beste Weg, die Zukunft
vorherzusagen ist, sie selbst aktiv zu gestalten. Mein Schlüsselerlebnis war eine Diskussion mit meinem Team um die Kernfrage, warum sollten wir all das tun? Oder besser ausgedrückt:
was bleibt in 20 Jahren noch relevant? Wofür lohnt es, sich einzusetzen?
Der Klimawandel beispielsweise wird uns voraussichtlich auch in 20 Jahre erhalten bleiben (leider), deshalb ist jeder Millimeter Vorsprung, den wir in Form von Lösungen erarbeiten,
sei es wirtschaftlich, technologisch oder gesellschaftlich langfristig gut investiertes Kapital. Ich bin dabei kein Anhänger von einseitigen Ideologien, sondern halte viel mehr von
einer klaren Strategie zur Umsetzung.
Was sind die für Sie wichtigsten Parameter der Qualitativen Ökonomie?
Quality Economy hat mehrere inhaltliche Treiber. Zwei Beispiele:
Angefangen von den ökonomischen Kosten des Wirtschaftens, die sowohl der Kapitalmarkt als auch Versicherer immer stärker in den Fokus nehmen.
So wirkt der Kapitalmarkt derzeit beschleunigend, weil der Druck durch die akkumulierten Kosten, die z.B. durch Umweltschäden entstehen (heute weltweit mehr als 311. Mrd. Euro),
beginnt, die Geschäftsmodelle der realen Wirtschaft herauszufordern. 40 % der Agrarfläche ist in den letzten Jahren durch umweltbedingte Dürre nicht nutzbar, ökologische Kosten werden
so zu ökonomischer Wertvernichtung. Es stellt sich die Frage: wer generiert tatsächlich ganzheitlich Wert?
Die Innovative Moderne erfordert aber nicht nur eine ganzheitlichere Betrachtung von Wert, sondern auch neue Denkanstöße. Schön zu sehen ist dies bei Chat GPT, die präziseste Frage
erhält dort die qualitativ beste Antwort… Kluge Fragen werden somit wertvoller als Antworten.
Diese Achse qualitativer Ökonomie begreift auch Führung nicht mehr wie früher allein als „Antwortgeber“ und ausschließlicher „Antworthaber“, sondern als hierarchieübergreifende
Moderation klügster Köpfe, was Kompetenzen potenziert. Versuche, alte, archaische Modelle am Leben zu halten, werden qualitative Leistungsträger nicht zulassen. Das letzte
Jahrhundert erfährt dadurch eine langsame Ablösung durch die innovative Moderne.
Was sollten wir tun und was sollten wir lassen, um qualitative Ökonomie zu schaffen?
Insbesondere vor dem Hintergrund der derzeitigen Konfliktherde ist es umso wichtiger, der Qualitativen Ökonomie Möglichkeiten zur kraftvollen Entfaltung zu geben, weil sonst die
Gefahr besteht, in der Endlosschleife alter Muster zu verharren.
Im Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung setzen wir uns dafür ein, dass wir beim Energiemix die Kosten stärker in den Fokus nehmen, denn wenn unser Wohlstand kippt, ist auch die
Demokratie gefährdet.
Es geht bei erneuerbaren Energien mithin nicht um Ideologie (die wir lassen sollten) und nicht nur um Verfügbarkeit, sondern eben auch um Leistbarkeit. Auch im internationalen
Kostenvergleich. Und mit internationaler Kooperation. Das sollten wir tun!
Was quantitativ wirken mag, ist mit Blick auf die beschriebenen Auswirkungen sehr wohl qualitativ!
Was wir ebenfalls – zweitens – tun sollten: die Innovationsfelder einer nachhaltigen Transformation sehr stark zu fördern. Neue Materialien, Technologien, im Bereich nachhaltiger
Transport, Energiesysteme, Kreislaufwirtschaft, um nur einige zu nennen, sind im Entstehen und Wachsen je nach Segment zwischen 2-35 %, und werden somit zum Treiber einer neuen
qualitativen Industrialisierung. Europa wird im internationalen Vergleich bei Energie nur schwer führend werden, es sei denn, wir erleben disruptive Innovationssprünge. Hier gilt es
zumindest auf Augenhöhe mit dem Wettbewerb zu bleiben, aber bei Innovationen sollten wir die Ideen- und Technologievielfalt der Unternehmen fördern. Hier haben wir Unternehmen, die
Weltklasse sind. Schaffen wir also auch die Rahmenbedingungen für eine Weltklasse. Insofern sind in der Quality Economy Innovationsfelder Chancenfelder.
Der dritte Punkt: Der Kapitalmarkt ist ein ganz wesentlicher Hebel für die Finanzierung dieser Qualitativen Ökonomie der Innovationen. Global zu einer pragmatischen und
einheitlichen Sprache zu kommen, die Impacts verschiedener Unternehmen wertet, ist eine Grundvoraussetzung, die es braucht, um international besser zu investieren. Die „Qualitative
Ökonomie ist also ganzheitlich und wertorientiert und schafft damit die Voraussetzung für eine globale Zukunftsfähigkeit.